11 Georg Schneider VII

Demokratischer Wiederbeginn

1946

Wenn man sich die Backsteine des Anwesens hier am Pestalozziplatz / Ecke Pestalozzistraße einmal genauer anschaut, so lassen sich - vor allem an der Hausecke - noch tief in den Stein geritzte Hakenkreuze erkennen. Nachdrückliche Zeugen der politischen Verblendung während der Nazi-Zeit – und vielerorts auch noch danach. Vieles spricht dafür, dass sie Georg Schneider VII galten, dem ehemaligen Bewohner des Hauses. Zur Drohung, zur Einschüchterung, als Stigma. Denn auch diesen verdienten Niersteiner Demokraten hatten die Nationalsozialisten schon früh zu ihrem Feind erklärt.

Der 1883 geborene Georg Schneider war politisch sehr rührig, gehörte ab 1919 zu den so genannten „jungen Leuten“ der Niersteiner SPD, für die er in den Gemeinderat gewählt wurde. Als gelernter Mälzer gründete er schon vor dem 1. Weltkrieg die Niersteiner Gewerkschaftsbewegung mit, 1929 wurde er Mitglied des Kreistages in Oppenheim. Politische Mitbestimmung, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit waren ihm wichtig.

Doch all das fand 1933 mit der Gleichschaltung der Gemeinderäte durch die Nazis ein jähes Ende. Wie alle Vertreter demokratischer Parteien musste Schneider seinen Austritt aus dem Rat erklären und direkt darauf auch seinen Posten als Leiter der Niersteiner AOK-Zweigstelle abgeben.

Bis auf eine karge Kriegsrente – Schneider war aus dem 1. Weltkrieg mit einer schweren Verwundung zurückgekehrt – hatte er jahrelang keine Einkünfte.

Von den Nationalsozialisten überwacht und drangsaliert, blieb dem nach wie vor überzeugten Sozialdemokraten nur die innere Migration. Die Hakenkreuze im Mauerwerk seines Hauses dürften aus jener Zeit stammen. Zeichen der Verfolgung. Zeichen der Ausgrenzung. Zeichen der Häme.

Doch während sich nach dem Krieg ab 1945 viele ehemalige Nazis wegduckten, übernahm Schneider wie selbstverständlich wieder Verantwortung für Nierstein und seine Mitbürger. Zunächst als Zweiter, dann als Erster Beigeordneter. Vor allem der soziale Sektor war ihm wichtig – denn die Not, die der Krieg hinterlassen hatte, war groß. Requisition, Währungsreform und Wohnungsnot waren nun Schneiders große Herausforderungen. Er gehörte dem Kreisausschuss an, war später Vorsitzender des Aufsichtsrats der Winzergenossenschaft, wurde Mitglied des Verwaltungsrats der Niersteiner Volksbank und setzte sich mit großem Engagement für Kriegsbeschädigte ein. Schneider hatte sich nicht brechen lassen. Mit 76 Jahren wurde er angesichts seiner vielen Verdienste als erster Niersteiner seit 1945 zum Ehrenbürger ernannt. Eine Auszeichnung, die er bescheiden annahm.

Schneiders Vita steht für die vieler Menschen, die im Dritten Reich verfolgt wurden oder in innerer Migration geblieben sind und sich nicht gemein gemacht haben mit dem NS-System. Menschen, die 1945 gleich wieder zugepackt und sich am Wiederaufbau beteiligten. Ohne sie, die zum Teil noch im 19. Jahrhundert geboren wurden, wäre der Aufbau einer Demokratie in Deutschland wohl schlicht nicht möglich gewesen.

Unsere nächste Station stellt Ihnen eine damals eher seltene Spezies in der Politik vor: Frauen. Ihnen ist die nächste Station zwei Straßen weiter gewidemet. Die Karte unten zeigt wo es lang geht.

Weiter zur nächsten Station!

Die Karte unten zeigt Ihnen den Weg
zur Elisabethenstraße 25.

Wenn Sie dort angekommen sind, klicken Sie bitte auf "weiter"!