Seit 1919 haben Männer und Frauen in Deutschland das Recht zu wählen und gewählt zu werden. Und im Grundgesetz steht seit 1949 „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ (Art. 3 Absatz 2). Die Realität sieht oft jedoch anders aus.
Denn Frauen sind bis heute in der Politik und in vielen gewählten Gremien in der Minderheit. Das gilt auch für Nierstein. Zwar gab es schon in der Weimarer Zeit Frauen, die sich politisch in den örtlichen Parteien engagiert haben, und nach 1945 wirkten sie auch in verschiedenen Ausschüssen mit. Doch es sollte bis 1974 dauern, dass in Nierstein die erste Frau in den Gemeinderat einzog. Ihr Name: Maria Sander.
Sander hatte sich zuvor sehr in der katholischen Kirche engagiert, bei Caritas und Kolpingverein. „Carearbeit“ würde man heute sagen oder „soziales Engagement“. Eine typische Rolle für die Frauen jener Zeit. Doch über dieses Engagement führte ihr Weg zur CDU, die sie als Kandidatin nominierte. Und das in einer Zeit, in der traditionell die Männer das Sagen hatten – auch über ihre Frauen. Noch bis 1977 benötigten Ehefrauen in der Bundesrepublik die Erlaubnis ihres Mannes, um arbeiten gehen zu dürfen. Männer hatten das alleinige Entscheidungsrecht über das Geld, sogar über jenes, das die Frauen in die Ehe einbrachten. Lange durften Frauen kein eigenes Bankkonto eröffnen oder den Führerschein machen, wenn das der geneigte Gatte nicht guthieß.
Auch das Frauenbild der Nazis wirkte lange nach, das die Frau vor allem als Hausfrau und Mutter definierte. Politik, das sollte Sache der Männer sein – und man sieht ja, wo das hinführte. Die gesellschaftlichen Umbrüche im Land bewirkten auch hier einen Wandel.
Die Niersteinerin Maria Sander jedenfalls machte ihren Weg in der aktiven Politik. Sie wirkte 10 Jahre lang im Gemeinderat, war dort geschätzt und angesehen.
Aber auch heute sind Frauen in der Kommunalpolitik noch in der Minderheit. Nur knapp 20% des aktuellen Niersteiner Stadtrats sind Frauen. Immerhin: in einer Fraktion sind seit der Wahl 2024 mehr Frauen als Männer vertreten. Und das ist doch schon mal was.
Nun führt uns unser Weg zurück Richtung Marktplatz. IN der Rheinstraße begegnen wir dem "Tanzenden Bürgermeister" Gustav Strub, dem politisch sicher nicht immer zum Tanzen zu Mute war.